Eskalationen, Drohungen und Sanktionen: Wie umgehen mit Russland?
Die Ukraine – und die Welt mir ihr – kommt nicht zur Ruhe. In einem völkerrechtlich umstrittenen Referendum sprach sich vor wenigen Tagen eine große Mehrheit der abstimmenden Krimbevölkerung, allem Anschein nach, für einen Anschluss der ukrainischen Halbinsel an Russland aus. Die neue ukrainische Staatsführung will diese Abspaltung nicht anerkennen und hält sie für völkerrechtlich illegitim. So sieht dies auch der ganz überwiegende Teil des Westens. Dessen ungeachtet bezogen russische Militäreinheiten Stellung auf der Krim, um deren Anschluss an Russland zu vollziehen. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach in diesem Zusammenhang von einer „Wiedervereinigung“ und nutzte eine Grundsatzrede an diesem Dienstag zugleich dazu, die Politik des Westens umfassend zu kritisieren. Insbesondere warf er darin den westlichen Staaten puren Zynismus im Umgang mit dem Völkerrecht vor. Sie nähmen dieses Recht in Anspruch, wie (und wann) es ihnen eben gerade beliebe. Im Westen reagiert man äußerst irritiert auf das aggressive russische Vorgehen und diskutiert nun verschiedene Maßnahmen, wie darauf wirkungsvoll zu antworten sei. Erste Sanktionen wurden jüngst beschlossen, weitere sollen folgen.
In einem Beitrag auf der Blogfraktion schreibt Volker Kauder, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, von einem massiven Rechtsbruch, den Russland im Zuge der Krimkrise begehe. Er kritisiert insbesondere die Begründungen, die Russland für sein aggressives Vorgehen gebe. Die russischen Versuche, das eigene Handeln mit dem der NATO im Zuge der Kosovo-Intervention gleichzusetzen, weist Kauder entschieden zurück. Obgleich er zu einer nachdrücklichen Entgegnung auf Russlands Handeln aufruft, rät er dennoch zu einem besonnenen Umgang. Auch Sanktionen sollten nur behutsam eingesetzt werden, um eine weitere Eskalation der Situation zu vermeiden.
Mit den all zu zögerlichen und duckmäuserischen Reaktionen auf Russlands gewaltsame Annexionspolitik, hadert Richard Herzinger auf seinem Blog Freie Welt. Eine militärische Reaktion des Westens von vornherein auszuschließen, sei äußerst problematisch, denn dies stachle den „Gewaltmenschen“ Putin, der doch nur das Gesetz des Stärkeren kenne, noch zusätzlich an. Mit halbherzigen Aktionen bringe man Putin nicht zum Einlenken. Geboten seien jetzt gezielte und konsequente Sanktionen, die Russland – und Putin – schnell die Grenzen aufzeigen könnten. Wenn man nun weiter zaudere, drohe auch irgendwann die eigene Freiheit in Gefahr zu geraten.
Von Sanktionen und weiteren Drohungen gegen Russland halten Heiner Flassbeck und Friederike Spieker indes herzlich wenig. So könne man die Krim auch nicht mehr in der Ukraine halten, wie sie in einem Beitrag auf der Seite flassbeck-economics feststellen. Zwar spreche prinzipiell nichts gegen glaubwürdige Drohungen, doch hier würden sie ins Leere laufen. Der Westen hätte einfach zu viele – und für alle Seiten offensichtliche – wirtschaftliche Interessen, die mit „eskalierenden“ Sanktionen aufs Spiel gesetzt würden. So könne man seine Drohungen jedenfalls nicht wirklich glaubhaft geltend machen.
Auch Roberto de Lapuente beschäftigt sich auf seinem Blog ad sinistram mit einer Eskalation, nämlich der semantisch-rhetorischen, im öffentlichen und politischen Diskurs zum Konflikt mit Russland. Im Zuge dieser Eskalation werde die abfällig-abwertende Rede von den Russen oder dem russischen „Iwan“ wieder salonfähig gemacht. Auch mit Putin selbst verfahre man dabei alles andere als zimperlich und bediene sich zu dessen Charakterisierung äußerst klischeebehafteter Bilder. Dargestellt werde Putin etwa als grobschlächtiger, breitbeiniger Zampano mit Goldkettchen.
Angemessene Antworten auf Russlands jüngstes Vorgehen auf der Krim zu finden, scheint momentan ebenso schwierig zu sein, wie den richtigen Ton in der Debatte zu treffen. Vor zwei Wochen richteten wir hier den Blick in die ukrainisch-russische Vergangenheit, nun richtet er sich in die Zukunft. Wie sich die geostrategische und die semantisch-rhetorische Eskalation in dem Konflikt zueinander verhalten und weiterentwickeln, das gilt es in den nächsten Tagen und Wochen aufmerksam zu beobachten.